Unter den Symphonien Gustav Mahlers hat kaum ein Werk derart polarisiert wie dessen Achte. Als "Symphonie der Tausend" etikettiert - schon im Titel Signum des Exzeptionellen - changiert sie in ihrer Rezeptionsgeschichte zwischen einem gleichsam überwältigenden "Hang zum Kolossalen und Gewaltigen" (Korngold 1910, 2) einerseits, dem Odium von "erhebenden Hochgefühlen der Sängerfeste" (Adorno 1960, 184), die Theodor W. Adorno als Rückfall "ins grandios Dekorative" (ebda., 186) gebrandmarkt hat, andererseits. Die Achte - dies wird aus einer detaillierten Analyse der zahlreichen Presseberichte, die nicht nur die Aufführungen, sondern auch die Probenarbeit begleitet haben, deutlich - wurde nicht nur als künstlerisches, sondern gleichermaßen als "gesellschaftliches Ereignis" (Korngold, ebd.) qualifiziert.
Zwei Momente artikulieren in besonderer Weise diesen Aspekt des gleichsam "Öffentlichen": Zum einen die Dimension und Inszenierung dieses in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Ereignisses, die sich bis in die Frühphase der Planungen zur Uraufführung (etwa Spätwinter/Frühjahr 1910) zurückverfolgen lassen. In ungeahntem Ausmaße wurde das spektakuläre Ereignis dieser Uraufführung von einer massiven Werbekampagne begleitet: »When he arrived in Munich, Mahler [ ... ] had been shocked at this riot of publicity which everywhere muck the eye« (HLG 2008, 953 f.). Nicht minder bedeutsam für die Positionierung der Achten Symphonie war zum anderen der Anspruch komponierter Transzendenz im Sinne eines klingenden Universums, den Mahler für dieses Werk in besonderer Weise reklamiert hat, und der etwa in seinem Brief vom 18. August 1906 an Willem Mengelberg beredten Ausdruck findet: "Ich habe eben meine 8. vollendet. - Es ist das Größte, was ich bis jetzt gemacht. Und so eigenartig in Inhalt und Form, daß sich darüber gar nicht schreiben lässt. - Denken Sie sich, daß das ganze Universum zu tönen und zu klingen beginnt. Es sind nicht mehr menschli[che] Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, welche kreisen" (GMB, 312). Beide genannten Aspekte, so sehr sie sich auch zu widersprechen scheinen, sind aufeinander bezogen. Bereits in den Berichten über die Probenarbeit und die Uraufführung am 12. September 1910 wurde mehrfach und zum Teil ausführlich auf den "äußeren Rahmen", den "internationalen Hörerkreis", die außergewöhnliche Aura der Einstudierung dieses Werkes, die bis ins Detail auch optisch durchdachte Aufstellung der Mitwirkenden, vor allem aber auf Mahlers faszinierende Fähigkeiten, seine Vorstellungen zu verwirklichen, hingewiesen. Emil Gutmann, der Veranstalter der Uraufführung, machte in seinen Erinnerungen mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass alle auch scheinbar äußerlichen Details eine letztlich geistige, metaphysische Zielsetzung hatten, ein "Kunstwirken höherer Ordnung":
"Mahlers Arbeit ging dahin, das ursprünglich zerstreute Material der ausführenden Kräfte in ein homogenes umzugestalten. Er verschmolz Sänger, Orchester, Szene zu einer Kunsteinheit, die nichts anderes darstellte als den spezifischen Organismus des Kunstwerkes. [ ... ] Die Organisierung des Kunstwerks beendete Mahler jedoch nicht bei den Mitwirkenden. [ ... ] Die äußere Gruppierung der Massen war ihm sehr wichtig, um auch für das Auge die Einheit des Kunstwerkkörpers sinnfällig zu machen[ ... ]."(Gutmann 1983. 90)